Ari E. Nadkarni Ari E. Nadkarni

Wer ist verantwortlich für Gefühle? | Gewaltfreie Kommunikation & Mediation, Münster

Sind Menschen selbst verantwortlich für ihre Gefühle? Ein differenzierter Blick aus der Gewaltfreien Kommunikation. GFK Training und Mediation in Münster.

In Trainings zur Gewaltfreien Kommunikation (GFK) und in Mediationen taucht immer wieder eine Aussage auf, die bei Teilnehmenden Irritation oder sogar Entsetzen auslöst:
„Menschen sind selbst verantwortlich für ihre Gefühle.“

Diese Formulierung, die unter anderem auf Marshall Rosenberg zurückgeht, sorgt in meinen GFK-Trainings in Münster regelmäßig für lebendige Diskussionen.
Eine Frage, die wir dann verschmitzt stellen können, lautet:

Bin ich als Trainer verantwortlich für dieses Verwunderung – oder sind die Teilnehmenden es selbst?

Lasst uns genauer hinschauen

Wie entstehen Gefühle aus Sicht der GFK?

In der Gewaltfreien Kommunikation gehen wir davon aus, dass Gefühle entstehen, wenn wir unsere Bedürfnisse als genährt oder nicht genährt erleben.

Welche meiner Bedürfnisse gerade lebendig sind, kann niemand so gut wissen wie ich selbst. Auch wenn andere Menschen mir dabei helfen können, Worte zu finden, liegt die letzte Autorität bei mir.

In diesem Sinne kommt mir ein besonderer Platz zu, wenn es um meine Gefühle geht:
Niemand kann so gut Verantwortung für meine Gefühle übernehmen, indem er oder sie meine Bedürfnisse erkennt, wie ich selbst.

Haben andere Menschen Einfluss auf meine Gefühle?

Gleichzeitig wäre es aus meiner Sicht verkürzend und lebensfremd zu sagen, dass andere Menschen keinen Einfluss auf meine Gefühle haben.

Darauf hat unter anderem Miki Kashtan hingewiesen, wenn sie von Wahrscheinlichkeiten der Bedürfniserfüllung spricht:
Wenn ich jemandem eine geladene Pistole vor die Nase halte, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Bedürfnis dieser Person nach Schutz massiv in Mangel gerät.

Zu sagen, die betroffene Person sei in diesem Moment allein verantwortlich dafür, wie es ihr geht, kommt mir absurd vor.

Verantwortung, Schuld und ein hilfreicher Perspektivwechsel

Ein Stolperstein liegt für mich im Begriff „Verantwortung“ selbst.
Im Alltag liegt er oft sehr nah an „Schuld“ – und genau von Schuldzuweisungen wollen wir uns in der GFK ja wegbewegen.

Deshalb schätze ich eine Formulierung von Johannes Henn besonders:

Schaffen wir es, Verantwortung zu übernehmen?

Die entscheidende Frage ist dann nicht mehr:
Wer ist verantwortlich?
sondern:
Sind die Bedürfnisse der beteiligten Menschen ausreichend gesehen und berücksichtigt?

Geteilte Verantwortung statt Entweder-oder

Aus meiner Sicht trägt kein einzelner Mensch die alleinige Verantwortung für die Gefühle eines anderen.
Gleichzeitig können wir alle Verantwortung übernehmen – für unsere eigenen Gefühle ebenso wie für die der anderen.

Und wenn das nicht gelingt und Schmerz übrig bleibt, können wir ihn betrauern:
als Ausdruck dafür, dass es uns in diesem Moment nicht gelungen ist, gut füreinander zu sorgen.

Diese Haltung ist für mich ein zentrales Lernfeld in GFK-Trainings und in der Mediation.

Bin ich als Trainer verantwortlich für das Entsetzen meiner Teilnehmenden?

Wenn Teilnehmende in einem GFK-Seminar verwundert oder ärgerlich reagieren, weil ich sage, sie seien selbst verantwortlich für ihre Gefühle, bedeutet das aus meiner Sicht nicht, dass jemand „schuld” an dieser Verwunderung oder diesem Ärger ist.

Es bedeutet vielmehr:
Unsere Bedürfnisse sind an dieser Stelle noch nicht ausreichend integriert worden.

Integration könnte zum Beispiel so aussehen, dass ich anerkenne:

„Ja, andere Menschen haben Einfluss darauf, wie es euch geht.
Gleichzeitig möchte ich euch bewusst machen, wie viel Einfluss ihr selbst habt.
Je klarer ihr euch eurer Bedürfnisse werdet, desto leichter könnt ihr wahrscheinlich dafür sorgen, dass es euch gut geht.“

Gewaltfreie Kommunikation und Mediation als Integrationsräume

Genau solche Spannungsfelder sind für mich der eigentliche Lernraum von Gewaltfreier Kommunikation und Mediation.
Nicht die schnelle Antwort zählt, sondern die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven zu halten und Bedürfnisse miteinander in Beziehung zu bringen.

Wenn du diese Fragen nicht nur theoretisch, sondern praktisch erforschen möchtest, findest du unter “Angebote” und “Offene Kurse” weitere Informationen.

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